Modedesigner Jan Lorenz
Von der Burg Giebichenstein direkt ins Museum: Für den Bautzener Jan Lorenz hätte es nicht besser laufen können. Der Mode-Absolvent wurde 2019 beim SORBIAN STREET STYLE Wettbewerb mit dem dritten Platz ausgezeichnet. Seine Bachelorkollektion mit dem Titel „Druhi Puć“ („Anderer Weg“) – bunt, kraftvoll, mutig, experimentell - überzeugte die Jury. Und das Sorbische Museum in Bautzen, das Lorenz‘ Kollektion direkt im Anschluss ausstellte. Warum? Jan Lorenz war es gelungen, sorbische Motive mit utopischem Street Style zu vereinen. Das hatte es so bisher noch nie gegeben.

Wanderer zwischen den Welten
Konkret bedeutet dies: Seit einigen Jahren ist Lorenz mit der Digitalisierung sorbischer Trachten beschäftigt, erstellt in aufwändiger Detailarbeit 3D-Modelle, visualisiert, animiert und vektorisiert zahllose Stick- und Webmotive und „Modeln“, wie die typischen Stempel zur Herstellung der bekannten Blaudruckmuster im Fachjargon heißen. Und er ist nach wie vor gut vernetzt in seiner Heimat Bautzen.
Was ihn antreibt? „Den Menschen etwas über ihre Geschichte wiederzubringen, das droht, vergessen zu werden“, erklärt Lorenz. „Die Tracht bietet viele Anknüpfungspunkte, Inspiration und Anregung zur Frage nach der eigenen Identität und der Beziehung zur Umwelt – das ist mir wichtig zu vermitteln.“
Die sorbischen Trachten seien voller Codierungen, so Lorenz weiter. „Der soziale Stand, die Lebensweise und die Lebenssituation – all dies war und ist an der Tracht ablesbar. Trachten sind, wenn man so will, ein Kommunikationsmittel, das es uns ermöglicht, etwas über das Leben der Trachtenträgerinnen und Trachtenträger zu erfahren und damit zugleich etwas über uns selbst zu lernen.“
Akribisch trägt Lorenz all diese „Codes“ – Symbole und Muster – zusammen. Alte slawische Symbole wie Wolfszähne und Sonnen bilden Ornamente und Muster. Sorbische Fabelfiguren, wie der Wassermann, die Mittagsfrau, der Zauberer von Krabat und der Schlangenkönig, sind dank Lorenz als Illustrationen digital erfasst. Für Museen, für Schulen, für die Nachwelt. Ein unfassbarer Schatz, den der junge Mann Stück für Stück hebt.
Was ihn an der sorbischen Tracht fasziniert? „Ich bin in der Lausitz mit der sorbischen Kultur aufgewachsen, hatte aber immer auch Schwierigkeiten mit der Identifikation“, erinnert sich Jan Lorenz. „Die Traditionen und Bräuche standen für mich in Konkurrenz zur Mehrheitskultur bzw. zu meinen eigenen Interessen. Es war die ‘Kultur der Großeltern‘. Während meines Studiums habe ich mich dann intensiv mit diesem Zwiespalt beschäftigt, weil ich das Bedürfnis hatte, meine Wurzeln zu erforschen und zu lernen, welche Bedeutung Familie und Heimat für mich haben.“ Geholfen hat ihm dabei auch die Idee der sorbischen Utopie. Sie begreife die sorbische Kultur nicht länger von vorn herein als verschwindend und aussterbend, sondern blickt nach vorn und sieht den kulturellen Schatz als Potenzial und als Spielwiese für neue Ideen und Visionen.
Kann Tracht Trend sein?
„Ich tue mich schwer mit Trends, gerade im Zusammenhang mit Trachten“, erklärt Lorenz. „Die Trachten der Sorben haben eine lange Geschichte. Ihr großer Wert liegt vor allem in der Erkenntnis, dass Kleidung langlebig, generationenübergreifend und nachhaltig sein kann. Diese Attribute sind heute – wenn man so will – tatsächlich sehr zeitgemäß, und damit haben Trachten ein gewisses Trendpotenzial.“
Insbesondere der Nachhaltigkeitsgedanke fasziniert Jan Lorenz, denn: „Eine komplette Tracht umfasst mehr als 60 Elemente. Man nennt dies auch ‘eine komplette Trachtentruhe‘. Die Trägerin ist damit von Jung bis Alt für jede Lebens- und Alltagssituationvorbereitet - ein Leben lang. Dieses Konzept von Kleidung ist im Zeitalter der weltweiten Textilindustrie nicht mehr vorgesehen. Und doch beinhaltet es ein Verständnis von Nachhaltigkeit, das zunehmend junge Menschen anspricht.“
Digitale Tracht – digitale Pracht

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