Das Trachtenhaus Jatzwauk
Stoffe stapeln sich in den Regalen, Schnittmuster liegen fein säuberlich nebeneinander gereiht, Figurinen schmücken sich mit farbenfrohen, filigranen Trachtenteilen. Die fast einhundertjährige Geschichte ist im Trachtenhaus Jatzwauk in Hoyerswerda überall spürbar. Für Kirsten Ann Böhme, Urenkelin des Gründers Johann Jatzwauks, ist ihr Atelier ein Ort des kreativen Schaffens, an dem sie die hohe Kunst der Trachtenmaßschneiderei zelebriert und zugleich in die Moderne führt. Denn sorbische Trachten sind, wenn es nach Böhme geht, beileibe nicht gestrig – ganz im Gegenteil. Was sie und ihre Mitarbeiterinnen tagein, tagaus an sorbischen Trachten restaurieren und schneidern, ist in der „Trachtenschatzkammer“ und im „Blaudruckkabinett“ zu bestaunen.

Trachten in vierter Generation
Frau Böhme, war Ihnen immer schon klar, dass Sie die Geschäfte Ihrer Familie eines Tages weiterführen werden?


Wie sehr prägt der Urgroßvater und seine Philosophie die Geschicke Ihres Unternehmens noch heute? Welche Spuren hat er hinterlassen?
Gibt es ein Familiengeheimnis, eine Maxime, die von Generation zu Generation weitergegeben wird?


Frau Böhme, Sie schneidern ja nicht nur mit viel Herzblut Trachten, sondern sind auch sehr vernetzt und tun viel dafür, nicht nur die Tradition zu bewahren, sondern sie auch für neue Einflüsse zu öffnen. Wie genau muss man sich das vorstellen?
Würden Sie sagen, die sorbische Tracht hat sich über die zurückliegenden vier Generationen verändert? Und wenn ja, wie?

Die maßgeschneiderten und sehr wertvollen Trachten werden heute nur noch zu besonderen Anlässen getragen. Deswegen sind viele Variationen der Tracht verlorengegangen, andere haben nur in Form von stilisierten Bühnentanztrachten überlebt. Tracht ist ja auch keine Uniform, sie unterliegt ja auch modischen Einflüssen und so haben sich über die Jahre sowohl die verwendeten Materialien als auch die Schnitte oder Rocklängen verändert, und in manchen Regionen hat es sich auch durchgesetzt, dass keine Kopfbedeckungen mehr zur Tracht getragen werden, obwohl ich das nicht in jedem Falle begrüße, da zumindest zu einem vollständigen formalen Outfit eben auch Strümpfe, Schuhe und eine Kopfbedeckung bzw. Haarschmuck gehören sollten.

Sie sind im besten Sinne Bewahrer der sorbischen Tracht. Wofür steht diese? Heimat? Identität? Vergangenheit? Zukunft?
Im Trachtenhaus werden Trachten restauriert und auch neu angefertigt. Wer fragt das an?
Wir unterstützen einzelne sorbische Trachtenträgerinnen ebenso wie Chöre und Tanzgruppen der Lausitz. Die Kindergärten sind uns ein ganz besonderes Anliegen. Darüber hinaus kommen auch Anfragen von Lausitzern, die sich gerne anderweitig in regionaler Tracht – historisch oder modernisiert – zeigen wollen, z.B. zum Oktoberfest in Bayern oder zu einer Hochzeit in Amerika. Wir beraten jeden gerne!
Hat Tracht, haben Trachten eine Zukunft? Was ist Ihre Erfahrung?

Liebe Frau Böhme, herzlichen Dank für das Interview!
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Titelbild: Ann Kirsten Ann Böhme beim Ankleiden einer jungen Frau in sorbischer Tracht, Foto: Christina Czybik