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Von der Barbie in sorbischer Tracht zur Schulkleidung

2013 war das. Damals hatte Claudia Matoušek, Kunstpädagogin und gelernte Grafikdesignerin mit deutsch-tschechischen Wurzeln, eine „Erscheinung“. Eines Tages fuhr vor dem Schloss in Radibor eine alte Dame in traditioneller sorbischer Tracht auf dem Fahrrad an ihr vorbei. Matoušek schaute ihr wie gebannt hinterher, so aus der Zeit gefallen erschien ihr diese Szenerie, beinahe wie an einem Filmset.

„In diesem Moment war die Idee geboren“, erinnert sich die quirlige Mitt-Vierzigerin, in Halle geboren, in Franken aufgewachsen, in Prag zur Schule gegangen, in Leipzig studiert und schließlich im beschaulichen Radibor gelandet – in jedem Falle aber ohne jeglichen sorbischen Bezug. Die Idee, dass man etwas gegen das unaufhaltsame In-Vergessenheit-Geraten der sorbischen Kultur und Traditionen tun müsse, für das die alte Frau sinnbildlich stand.

Von der Idee zur Kollektion

Und Matoušek erfand: die Barbie in sorbischer Tracht. Ihre besondere Kollektion aus 30 Barbies in farbenfroher sorbischer Tracht und von der bekannten sorbischen Trachtenschneiderin Monika Ziesch gefertigt, hat seitdem in verschiedenen Ausstellungen Begeisterung bei großen und kleinen Sorben- und Barbie-Fans ausgelöst. Beim großen amerikanischen Barbie-Produzenten Mattel hatte Matoušek indes bisher noch kein Glück.

Es brauche, so Matoušek, einfach Menschen, die die Idee professionell vermarkten können. Das sei allein nicht zu schaffen. Doch hadern ist ihre Sache nicht. Sie nahm mit ihrer befreundeten Modedesignerin Corinna Seiler 2019 am „Sorbian Streetstyle“-Wettbewerb teil und hat seit gut einem Jahr ein neues Herzensprojekt, das sie bald – und am liebsten mit Unterstützung weiterer Partnerinnen und Partner – realisieren möchte: eine sorbische oder auch eine Lausitzer Schulkleidung zu entwickeln.

Erste Ideen für die Kleidungsstücke hat sie bereits: Sie variieren zwischen traditions-verhaftet und alltagstauglich, zeitgemäß und locker, pflegeleicht und cool, denn „die jungen Leute müssen sie ja auch gern tragen wollen“, so Matoušek. Wichtig sei, dass man sich von den Vorurteilen der Vergangenheit freimache, mit denen Schuluniformen – Stichwort Pionier – oft noch behaftet sind. In jedem Fall sollten sich aber sorbische oder lausitztypische Muster in der Kleidung wiederfinden. Dass das Experiment gelingen kann, und sowohl Schüler-, als auch Elternschaft für das Projekt begeistert werden kann, davon ist die umtriebige junge Frau überzeugt. Und hat daher gleich eine Klasse an der Bischöflichen Maria-Montessori-Grundschule in Bautzen ins Auge gefasst, an der sie Kunst und Werken unterrichtet und mit der sie die sorbische Schulkleidung im Rahmen des Projektunterrichts umsetzen möchte.

Frau Matoušek, was fasziniert Sie eigentlich an der sorbischen Tracht? Sie sind ja selbst keine gebürtige Sorbin…

Es war eher eine Mischung aus Faszination und Schock. Die Dame auf ihrem Fahrrad, dass es so etwas noch gibt... So etwas hatte ich im Alltag noch nie gesehen. Klar, ich bin in Bayern aufgewachsen, mit Dirndl und Lederhose. Aber die bayrische Tracht ist mit der sorbischen nicht zu vergleichen. Bayrische Trachtenmode wird gelebt und ist weltweit bekannt. Die sorbischen Trachtenträgerinnen hingegen werden im Alltag immer weniger und werden irgendwann tatsächlich aussterben. Nahezu schockiert hat mich zudem als ich realisierte, wie viele handgemachte Unikate an sorbischer Tracht weggeworfen werden. Schätze im Müll. Tradition im Abfall. Dieser absurde Kontrast reizte mich, und ich fragte mich, wie die sorbische Tracht neu interpretiert werden kann, wie sie zurück in unseren Alltag findet, wie aus Rarität wieder Normalität werden kann?

Wie gelangen Sie an die alten Stoffe, wer öffnet Ihnen die „Truhen des Vergessens“?

Die meisten Sachen habe ich von Monika Ziesch aus dem Sorbischen Trachtenfundus erhalten. Vereinzelt kommen aber auch Menschen auf mich zu und fragen, ob ich Interesse an alten sorbischen Stoffen hätte.

Welche Reaktion erwarten Sie von den Sorben selbst auf Ihre Idee mit der Schulkleidung?

Ich hoffe auf Offenheit, auch wenn es neue Ideen und Veränderungen oft erst einmal schwer haben. Natürlich ist es ein Experiment, dem sich auch Schulen und Eltern öffnen müssen. Aber es bietet insbesondere der sorbischen Bevölkerung eine so große Chance. Man könnte ein neues, zukunftsorientiertes Identitätsmerkmal schaffen und der sorbischen Kleidung im Alltag wieder zu mehr Sichtbarkeit und Akzeptanz verhelfen. Hinzu kommt: Schulkleidung stärkt das Wir-Gefühl, dämmt den Markenfetischismus ein und fördert eine gutes Lern- und Sozialklima.

Vielen Dank, Frau Matoušek, für das Gespräch!

Fotos: Archiv Claudia Matoušek