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Zwischen Bastei, Berliner Fashion Week und dem Drang zur Ordnung

Ein Interview mit Modedesignerin Laura Obst 

Laura Obst, eine talentierte junge Designerin aus Dresden, hat die Berliner Modewelt vor gut anderthalb Jahren zur Fashion Week mit ihrer einzigartigen Kollektion im Sturm erobert. Inspiriert von der Sächsischen Schweiz und ihrer schroffen Felsenwelt stellte sie zur Fashion Week 2023 eine textile Hommage an das Elbsandsteingebirge vor. Seitdem ist es nicht ruhig geworden um den sächsischen Stern am Modehimmel, der an der Kunsthochschule Berlin Weißensee Modedesign studiert und aktuell bereits an ihrer neuen Kollektion für den Masterabschluss tüftelt. Diesmal hat sie sich von Sachsens langer Bergbautradition inspirieren lassen. Noch ist die Kollektion jedoch unvollendet, und deshalb haben wir mit Laura zunächst über ihre sächsische Heimat gesprochen und darüber, wie sie sie in ihre Arbeiten einfließen lässt, welche Rolle Leder in ihren Kollektionen spielt, und warum Chaos für sie ein Kreativitätskiller ist. Außerdem spricht Laura darüber, warum es für angehende Modedesigner in Berlin nach wie vor einfacher ist, ihre Visionen umzusetzen.

LOOK 01 aus der Bachelor-Kollektion „A hike!“ von Laura Obst

Laura, du bist eine junge Designerin, die in Dresden aufgewachsen ist, aber nun die Berliner Modewelt aufmischt. Wie bist du zum Modedesign gekommen? Gab es ein bestimmtes Erlebnis oder eine Inspiration?

Tatsächlich habe ich schon früh mit dem Nähen begonnen. Mit etwa zwölf Jahren habe ich meinen ersten Nähkurs an der Volkshochschule in Dresden besucht. Meine Mutter, die selbst nähte, faszinierte mich in meiner Kindheit mit ihren Kreationen wie Kissenbezügen, Kleidern und Kostümen. Sie organisierte den Kurs für mich – und so nahmen die Dinge ihren Lauf. Später entschied ich mich dann, meine Leidenschaft zum Beruf zu machen. Nach meiner Ausbildung zur Maßschneiderin in der Dresdner Neustadt habe ich ein Studium an der Kunsthochschule Berlin Weißensee angestrebt, um meine Fähigkeiten weiterzuentwickeln. 2018 begann ich dort meinen Bachelor in Modedesign, den ich inzwischen abgeschlossen habe. Die Kollektion mit Bezug zur Sächsischen Schweiz entstand im Rahmen meiner Abschlussarbeit.

… und hat für viel Aufsehen gesorgt. Warum gerade die Sächsische Schweiz?

Weil sie für mich ein Stück Heimat ist. Als Kind war ich oft mit meinen Eltern dort wandern, und die Landschaft hat mich schon immer inspiriert. Besonders die Felsformationen – sie sind so beeindruckend und vielseitig. Während meiner Zeit in Berlin vermisste ich die Natur und kehrte regelmäßig nach Dresden zurück. Auf der Suche nach einem Thema für meine Bachelor-Kollektion kam mir bei einer Wanderung mit meiner Familie dann die Idee, die faszinierenden Felsen als Print auf Stoff zu übertragen. Ich begann, Fotos zu machen und diese Idee weiterzuentwickeln. So entstand schließlich meine Kollektion, die die Schönheit dieser einzigartigen Landschaft in Kleidung einfängt.

Es ist sicher nicht einfach, Naturelemente wie Steinstrukturen in tragbare Mode zu verwandeln. Wie gehst du beim Designen vor?

Es kommt ganz darauf an. Manchmal ist es die Silhouette, manchmal der Stoff oder eine interessante Oberfläche, die mich inspiriert. Beim „Steinkleid“ aus meiner Bachelor-Kollektion beispielsweise war es zunächst die Silhouette, die ich im Kopf hatte. Bei anderen Stücken sind es eher der Print oder das Material. Ich arbeite nach dem Prinzip „weniger ist mehr“: Auffällige Prints kombiniere ich mit schlichten Silhouetten, während ich bei abstrakten Formen gezielt den passenden Stoff suche. Meine Ausbildung zur Maßschneiderin hilft mir dabei, die richtige Wahl für jedes Stück zu treffen. Übrigens ist mir Ordnung beim Designprozess extrem wichtig. Kreatives Chaos ist für mich ein absoluter Kreativitätskiller. Ich brauche eine strukturierte Umgebung, um mich konzentrieren zu können. Ich bin auch bekannt dafür, ständig alles sofort wegzuräumen – was meine Kolleginnen und Kollegen manchmal in den Wahnsinn treibt, wenn plötzlich Scheren oder Schnittteile „verschwunden“ sind.

LOOK 05 aus der Bachelor-Kollektion „A hike!“ von Laura Obst

Es fällt auf, dass Leder ein zentrales Material in deiner Arbeit ist ...

Das stimmt. Leder ist mein Lieblingsmaterial. In meiner Bachelorarbeit habe ich die historische und gesellschaftliche Bedeutung von Leder untersucht. Es ist das älteste Material der Menschheit und hat eine starke symbolische Bedeutung: Es ist eine Schutzschicht, eine zweite Haut. Leder wird immer eine Bedeutung in der Gesellschaft haben und steht für Mut und Selbstbewusstsein. Zudem ist es extrem langlebig. Ich verwende ausschließlich bereits verarbeitetes und getragenes Leder in meinen Kollektionen weiter, da ich den Kauf von neuem Leder verhindern will. Außerdem will ich nicht, dass dieses tolle Material verschwendet wird.

Dein Upcycling von bereits genutztem Leder ist sehr nachhaltig. Ist Nachhaltigkeit generell ein wichtiger Aspekt in deiner Arbeit?

Auf jeden Fall! Beim Verkauf setze ich beispielsweise auf kleine Auflagen oder individuelle Anfertigungen und verwende Materialien, die fair produziert sind. Mein Ziel ist es, langlebige und zeitlose Kleidung zu schaffen, die nicht nur heute, sondern auch in vielen Jahren noch getragen wird.

Deine von der Sächsische Schweiz inspirierte Kollektion wurde auf der Berliner Fashion Week präsentiert. Wie war das für dich? Und wie wurde deine Arbeit aufgenommen?

Es war ein unglaubliches Gefühl! Viele haben die Inspiration hinter der Kollektion erkannt und waren begeistert. Besonders spannend fand ich, dass viele die massive Silhouette sofort mit Stein assoziierten, aber nicht jeder den Bezug zur Sächsischen Schweiz kannte. Es war schön, meine Heimat auf diese Weise in der Modewelt zu präsentieren und zu sehen, wie gut die Verbindung von Tradition und Moderne ankommt.

Experimentelles Schuhmodell von Laura Obst

Viele Designerinnen und Designer entwickeln eine ganz eigene modische Handschrift – nicht nur in ihren Kollektionen, sondern auch in ihrem persönlichen Stil. Wie sieht dein eigener Kleiderschrank aus?

Ich bin tatsächlich sehr bei Schwarz hängen geblieben. Ich glaube, das ist ein Phänomen unter Designerinnen und Designern. Viele tragen Schwarz, weil es zeitlos, elegant und gleichzeitig lässig ist. Außerdem hilft es mir, mich auf meine Arbeit zu konzentrieren. Wenn ich den ganzen Tag über Farben, Materialien und Designs nachdenke, will ich nicht noch morgens überlegen müssen, was ich anziehe. Eine schwarze Lederjacke, gute Lederschuhe – damit fühle ich mich immer passend gekleidet. Und lustigerweise spiegelt sich das auch in meiner neuen Kollektion wider, die ich gerade für meinen Master entwerfe: Viele Teile habe ich so entworfen, dass ich sie selbst gerne tragen würde. Sie sind in gedeckten Farben gehalten, mit interessanten Schnitten und einem subtilen Twist – tragbar, aber nicht zu abstrakt.

Kannst du uns einen näheren Einblick in deine neue Kollektion geben? Wird deine Heimat darin auch weiterhin eine Rolle spielen?

Meine Masterkollektion wird tragbarer und alltagstauglicher, bleibt aber meiner Ästhetik treu. Sie thematisiert moderne Arbeitskleidung und die emanzipierte Frau. Aber auch hier gibt es Anspielungen auf das Handwerk, den Bergbau und meine Heimat Sachsen. Ich experimentiere mit Metall und habe in der Werkstatt selbst gehämmert und geformt. Das Ergebnis wird eine Fusion aus handwerklichem Ansatz und moderner Arbeitskleidung sein, ergänzt durch abstrakte Silhouetten aus ungewöhnlichen Materialien wie Metallschwämmen, die an Erze aus einem Berg erinnern. Mehr möchte ich aber noch nicht verraten.

Wenn du nicht gerade im Atelier an deiner neuen Kollektion arbeitest – wie sieht ein typischer Tag in Berlin für dich aus?

Wenn ich mitten im kreativen Prozess stecke, verbringe ich die meiste Zeit im Atelier. An entspannteren Tagen starte ich gerne mit einer Joggingrunde, bevor es ins Studio geht. Dort arbeite ich an Schnitten oder recherchiere Materialien. Zwischendurch treffe ich mich mit Freunden oder besuche Ausstellungen – in Berlin gibt es ja immer irgendwas zu entdecken. Und wenn Fashion Week ist, liebe ich es, mir andere Kollektionen anzuschauen.

Denkst du, dass es in Berlin einfacher ist, ein eigenes Label zu gründen als in Sachsen?

Berlin bietet definitiv mehr Möglichkeiten und eine größere kreative Szene. Mit einer Fülle an Veranstaltungen, Fotografen, Models und einer starken Mode-Community ist es einfacher, Kontakte zu knüpfen und Projekte umzusetzen. Aber auch in Sachsen kann man seinen Weg gehen und erfolgreich sein, wenn man kreativ und zielstrebig ist.

LOOK 01 aus der Bachelor-Kollektion „A hike!“ von Laura Obst

Was würdest du einem jungen Designer raten, der aus Dresden kommt und sich für Mode interessiert?

Sich handwerkliches Wissen anzueignen, insbesondere das Nähen perfekt zu beherrschen, ist essenziell, um in der Modewelt Fuß zu fassen. Wer diese Fertigkeiten besitzt und vielleicht schon Erfahrung in einer Schneiderei gesammelt hat, eröffnet sich zahlreiche Möglichkeiten in der Designbranche. Und dann gilt: viel ausprobieren!  Es hilft auch, sich die Arbeiten anderer Designer anzuschauen.

Wir danken Laura Obst herzlich für das spannende Gespräch und die Einblicke in ihre kreative Welt. Ihre Arbeiten sind eine wahre Inspiration. Wer ihre einzigartige Sichtweise auf Mode und Design verfolgen möchte, sollte ihre Kollektionen und Projekte im Auge behalten – es lohnt sich!


Herzlichen Dank für das Interview, Laura!