So darf ein Buch-Jahr ruhig beginnen. Anfang Februar 2024 konnten sich Verlegerin Monika Osberghaus und ihr Team vom Klett Kinderbuch Verlag über zwei wichtige Auszeichnungen freuen. Zunächst wurde der Titel „Radieschen von unten. Das bunte Buch über den Tod für neugierige Kinder“ von Katharina von der Gathen und Anke Kuhl als „Wissenschaftsbuch des Jahres 2024“ in der Kategorie „Junior-Wissen“ geehrt. In der Jury-Begründung heißt es: „Dieses Buch liefert mit viel Feingefühl und Achtsamkeit unzählige Informationen rund um dieses sensible Thema und schafft einen beachtenswerten Ausgleich zwischen Ernsthaftigkeit, Humor und Respekt.“ Nahezu zeitgleich wurde Klett Kinderbuch in der Kategorie „Sichtbarkeit des Standorts Sachsen“ als Preisträger des Sächsischen Verlagspreises 2024 gekürt.
Preiswürdig waren in den vergangenen 15 Jahren viele Titel des Verlages, der 2008 als kleiner Ableger des großen Stuttgarter Klett-Konzerns in Leipzig gegründet worden war, und seit 2015 als unabhängiger Verlag agiert. Pro Jahr entstehen hier rund 15 neue Bücher. Dabei hat sich der Verlag mit realitätsnahen Themen einen Namen gemacht, weit weg von Fantasie oder Heile-Welt- und Prinzessinnen-Geschichten. Tod, Liebe, Sexualität, Krankheit, Behinderung, Migration – alles Themen, zu denen Kinder zu allen Zeiten Fragen haben und gute Antworten brauchen. Nur ein Thema hält Monika Osberghaus für nicht kindertauglich: Abtreibung. „Ich möchte nicht, dass kleine Kinder erfahren, dass man sie hätte wegschicken können.“
Die Bücher ihres Verlages sind eine bewusste Reaktion auf einen Trend, der aktuell wieder im Kommen ist, wie die Verlegerin beobachtet. „Vor allem die Erwachsenen, die ja die eigentlichen Käufer von Kinderbüchern sind, neigen wieder dazu, ihre Kinder von allem Unbill in der Welt fernzuhalten.“ Dieses prophylaktische Rundum-Beschützen findet sie falsch, denn Kindern entgehe ja nicht, was in der Welt los sei. „Vielleicht steckt dahinter auch ihr schlechtes Gewissen, weil sie die Welt so gestaltet haben, wie sie jetzt ist. Und sie erwarten von Kinderbüchern, das zu heilen und ihnen bei der Erziehung zu helfen.“
Sie dagegen möchte Bücher machen, die „die Kinder anpieksen, in denen sie ihre eigene Lebenswelt erkennen. Bücher, die die Lust aufs Lesen und Denken anregen.“
Kleine Marge, große Leidenschaft
In den letzten 15 Jahren habe sich – was das Geschäft betrifft – grundsätzlich nicht viel geändert, findet Osberghaus. Unabhängig von den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, gehe es dem Verlag immer darum, interessante Themen und Autoren zu finden, und die entsprechenden Bücher dann an den Mann, in diesem Falle: das Kind, zu bringen. Wachstum sei ohnehin nicht das Ziel, und viel Geld können man mit Kinderbüchern sowieso nicht verdienen, so die Verlegerin. „Wir wollen klein bleiben und Bücher mit hohem Engagement machen.“ Frei nach dem Motto: kleine Marge, große Leidenschaft.
Deshalb steht die Leipziger Verlegerin auch der oft eingeforderten staatlichen Förderung eher zurückhaltend gegenüber. „Ich persönlich möchte, dass sich unsere Bücher selbst tragen und der Verlag auf eigenen Füßen steht – auch, um wirklich unabhängig zu agieren.“ Dennoch ist auch ihr klar, dass die so wichtige Vielfalt gerade der kleineren Verlage nur mit Unterstützung erhalten werden kann.
Osberghaus wünscht sich vor allem eine größere Wertschätzung der Kinderliteratur als solche. So wie in Österreich oder in Skandinavien, wo die Bibliotheken Teile der Auflagen abnehmen und auf diese Weise für eine größere ökonomische Sicherheit von Autoren und Verlagen sorgen. Wünschenswärt wäre aus ihrer Sicht außerdem eine professionelle Ausbildung von Kinderliteratur-Autoren, etwa nach dem Vorbild des Leipziger Literaturinstitutes.
Haltung zeigen
Genau das Gegenteil von „Wertschätzung“ müssen Verlag und Autoren seit einigen Jahren immer wieder aushalten. So kommt es regelmäßig zu Shitstorms gegen Inhalte, Autorenschaft und Haltungen bestimmter Bücher. Dabei kommen die Anfeindungen sowohl aus dem rechten, als auch aus dem linken Spektrum. So wird ein Kinderbuch der Autorin Andrea Paluch, der Ehefrau von Wirtschaftsminister Robert Habeck, beispielsweise für rechte Hasstiraden gegen die Grünen missbraucht, stößt ein Titel zum Tierwohl auf Protest sowohl des Schweinezüchter-Verbandes wie der Tierschutzorganisation Peta. Inklusionspädagogen forderten ein Verbot des Buches „Alle behindert“. Für den Comic „Hugo und Hassan“ wurde der Verlag als „rassistisch“ und „islamophob“ beschimpft.
„Die gesellschaftlichen Verwerfungen spiegeln sich auch bei uns wider“, stellt Monika Osberghaus fest. „Selbst Kinderbücher werden jetzt zu moralischen Instanzen erhoben.“ Ihre Meinung dazu ist eindeutig: „Das muss man aushalten und Haltung zeigen. Nachgewiesene Fehler korrigieren wir natürlich.“
Größere Sorgen machen ihr Trends, die nicht so oft den Weg in die Öffentlichkeit finden. Dazu gehören aus ihrer Sicht vor allem die frühe Pornografisierung oder die ständige Beschäftigung mit Computerspielen und dem Handy. Diverse Studien, zum Beispiel PISA, attestieren deutschen Grundschülern eine seit Jahren eine sinkende Lesekompetenz. Osberghaus kann das aus der Praxis bestätigen. Bei Lesungen in Kindergärten und Schulen stellte sie eine „verheerend schlechte Handschrift und Rechtschreibung“ sowie Konzentrationsdefizite bei vielen Kindern fest. Ein Grund dafür sei sicher die immer früher einsetzende Nutzung von Smartphones. Das habe klare Auswirkungen auf das Leseverhalten und die Konzentrationsfähigkeit. Gleichzeitig würden Kinder ungefiltert und ohne Wissen der Erwachsenen, mit Pornografie und Gewalt konfrontiert.
Aufklärung und gute Kinderbücher tun also Not. Die Rahmenbedingungen dafür sind nicht schlecht. Kinder- und Jugendbücher sind das zweitstärkste Segment im deutschen Buchmarkt und konnten laut Börsenverein des Deutschen Buchhandels beim Umsatz 2023 immerhin um 2,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr zulegen. Pro Jahr kommen um die 8.000 Neuerscheinungen auf den Markt, ganz wichtige davon aus dem Klett Kinderbuch Verlag.
Klett Kinderbuch auf der Leipziger Buchmesse: Halle 3, Stand A 507