Im Flur der Firmenzentrale hängen Fotos an der Wand. Carolin Ziesmann zeigt dem Besucher die Galerie, bleibt einen Moment ganz still stehen. Die Freude ist ihr anzusehen. Wenig später reißt sie sich aus ihren Gedanken, zeigt auf eine Aufnahme mit ihrem Vater Roland und zwei Mitarbeitern. Danach deutet sie auf ein mehrere Jahre später angefertigtes Gruppenbild mit geschätzt 25 Menschen – Belege für die beeindruckende Entwicklung der Ziesmann Baugeräte GmbH in Torgau. »Mein Vater hat das Unternehmen 1992 mit bloßen Händen aufgebaut«, berichtet die Tochter. »Sein Herzblut und sein persönliches Engagement haben das Fundament gelegt, auf dem wir heute stehen.«
Dieses Fundament besagt in Zahlen: 45 Beschäftigte stehen inzwischen auf der Lohnliste, die einen Jahresumsatz von rund acht Millionen Euro erwirtschaften. »Wir haben in jedem Jahr schwarze Zahlen geschrieben, unabhängig von allen Krisen«, sagt die 35-jährige Carolin Ziesmann. Seit elf Jahren ist sie in dem Betrieb tätig, der Baumaschinen vermietet, verkauft und den erforderlichen Service übernimmt. Neben dem Hauptsitz in der nordsächsischen Kreisstadt gibt es Niederlassungen in Leipzig, Wurzen, Delitzsch und Eilenburg.
Typisch bundesrepublikanischer Familienbetrieb
Ziesmann gehört zu den für die bundesrepublikanische Wirtschaft so typischen Familienbetrieben. Zu diesem Typ zählen neun von zehn Firmen. Sie zeichnet in der Regel aus, dass rasche Profitsteigerung nicht auf der Tageordnung steht und dank einer zurückhaltenden Ausschüttungspolitik eine gute Eigenkapitalbasis vorhanden ist. »Ein wesentlicher Grund für unseren Erfolg liegt in unserer langfristigen und nachhaltigen Unternehmensphilosophie«, sagt die bodenständige Juniorchefin, der Pomp und Prunk völlig abgehen. »Wir setzen eben nicht auf kurzfristige Gewinnmaximierung.«
Begonnen hatte alles nach der Wende. Roland Ziesmann, ein gelernter Landmaschinenschlosser, der unter anderem zu DDR-Zeiten in einer Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft (LPG) tätig war und später diplomierter Maschinenbauingenieur wurde, machte sich selbstständig. »Was die anderen können, das kann ich besser«, sagte sich der heute 66-Jährige damals. Und startete durch, beginnend mit einem Radlader, allen Widrigkeiten im Umgang mit Banken und Behörden zum Trotz. Seine Tochter erinnert sich gerne an diese Anfangszeiten »Ich habe von klein auf die Faszination Baumaschine erlebt.« Während andere Kinder im Sandkasten Burgen bauten, schaufelte sie mit einem echten Bagger am Sandhaufen. Samstags fegte sie wie selbstverständlich die Werkstatt aus, erlebte, mit welchen Sorgen und Nöten sowie Zeitaufwand die unternehmerische Tätigkeit verbunden ist.
Wie setzt man sich als Frau in einer Männerbranche durch?
Während der Betrieb expandierte, sammelte Carolin nach der Schule erst einmal in Berlin und Leipzig berufliche Erfahrung außerhalb des Familienbetriebs. Später kehrte sie in die väterliche Firma zurück, kümmerte sich zunächst um das Ersatzteilwesen. Einfach hatte sie es zunächst nicht im Betrieb, denn der Bau ist ganz überwiegend eine Männerbranche. Aber mit Hartnäckigkeit, Geduld und Konsequenz eignete sie sich das erforderliche Wissen rund um Baumaschinen an.
Anerkennung hat sich die Betriebswirtin so nicht nur bei ihren Mitarbeiterinnen, Mitarbeitern und den 250 Stammkunden erworben. In diesem Jahr ist sie als erste Frau in den Vorstand der Abteilung Baumaschinen des Bundesverbands der Baumaschinen-, Baugeräte- und Industriemaschinen-Firmen gewählt worden. »Ich habe als Frau meinen Platz gefunden«, sagt sie. Dabei möchte sie das nicht als persönlichen Erfolg betrachten, »sondern als Ermutigung für andere Frauen, sich in männerdominierten Berufen zu etablieren und sich zuzutrauen, ihre Fähigkeiten und Leidenschaften in die Arbeitswelt einzubringen«.
Zwei-Generationen-Spitze auf gleicher Wellenlänge
Während der Senior sich um den Verkauf und die technische Leitung kümmert, verantwortet Carolin die strategische und personelle Entwicklung. Zugute kommt der zweiköpfigen Geschäftsleitung, die auch die Gesellschafterfunktion ausübt, dass sie auf einer Wellenlänge liegt. »Wir kommen unglaublich gut miteinander aus.« Sie ziehen an einem Strang, und dass in dieselbe Richtung. Klar ist inzwischen, dass Carolin Ziesmann die Nachfolge an der Spitze der Firma antreten wird. Schon heute nimmt sich ihr Vater gelegentlich mal einen Tag in der Woche frei. Der Übergang soll fließend erfolgen, ein konkretes Datum steht nicht fest.
Sie sei von ihren Eltern nie dazu gedrängt worden, in die Firma einzusteigen. »Aber: Kann ich hier irgendwann einfach zuschließen, weil es keinen Nachfolger gibt?«, fragt sie rhetorisch und begründet damit, warum sie sich entschieden hat, »es auszuprobieren«. Sie habe »gute Leute«, Branche und Betrieb »liegen mir am Herzen«. Zumal die Firma in der Region etabliert sei, einen prima Ruf genieße, weil sie sich individuellen Lösungen und einem guten Service verschrieben habe. Natürlich will auch Ziesmann grundsätzlich weiter wachsen. Die gegenwärtige schwierige Lage am Bau hat dazu geführt, dass jetzt Stabilität das große Ziel ist. »Wir haben bisher in Krisen keine Mitarbeiter entlassen.« Das soll so bleiben.
Familiäre Atmosphäre, regionales Engagement
Großes Augenmerk legt Carolin Ziesmann auf die Sicherung der Fachkräfte. Jährlich werden mindestens zwei Auszubildende (Landmaschinenmechatroniker) eingestellt. „Ein Großteil der Belegschaft besteht aus ehemaligen Lehrlingen.« Was für eine familiäre Atmosphäre spricht. »Wir bringen unserer Beschäftigten Respekt entgegen.« Zudem sei eine gewisse Flexibilität vorhanden, wenn etwa ein Vater morgens seine Kinder noch zur Kita bringen muss und daher etwas später als üblich zur Arbeit kommt. Fortbildungsmöglichkeiten gehören ebenso dazu wie Weihnachtsfeiern und das Oktoberfest. Gelegentlich wird der Grill angeworfen, sportliche Aktivitäten runden das ab. »Bei uns ist man einfach nicht nur Mitarbeiter, sondern in allererster Linie Mensch.«
Das hat wohl auch ein früherer Lehrling registriert, der zurückgekehrt ist und jetzt den Baumaschinenmeister macht. »Das zeigt nicht nur das hohe Qualitätsniveau unserer Ausbildung, sondern auch das Streben unserer Mitarbeiter nach beruflicher Weiterentwicklung.« Zudem engagiert sich die Chefin auf Ausbildungsmessen, geht in Schulen (»Wenn ich dort Baumaschinen erkläre, blitzt es in den Augen der Jungen«), lädt Jugendliche ein, beim Tag der offenen Tür hinter die Kulissen zu schauen. Für das kommenden Jahr plant sie die »Nacht der Perspektiven«. Ziel ist, die Veranstaltung zu einem bedeutsamen Ereignis für kleine und mittelständische Betriebe im Raum Nordsachsen zu machen. Es handele sich um eine innovative Handwerksmesse, die »eine einzigartige Plattform« darstelle, auf der Unternehmen mit potenziellen Mitarbeitern und Lehrlingen ins Gespräch kommen sollen. Die Schau ist für Firmen mit bis zu 50 Mitarbeitern konzipiert. Regionales Engagement, das natürlich auch das Sponsoring umfasst. Wie es in vor Ort verwurzelten Familienunternehmen üblich ist.
»Unsere Geschichte«, so Carolin Ziesmann, »ist nicht nur eine von unternehmerischem Erfolg, sondern auch von persönlichem Wachstum, Widerstandsfähigkeit und dem Mut, neue Wege zu gehen.« Weil »wir eben lieben, was wir tun«, sagt sie und wirft einen letzten Blick auf die Bildergalerie.
Der Preis ist eine Initiative von Sächsischer Zeitung, Freier Presse, Leipziger Volkszeitung, MDR sowie von Volkswagen Sachsen, LBBW, der Schneider+Partner Beratergruppe, der Gesundheitskasse AOK Plus und „So geht sächsisch“.
Text: Ulrich Milde
Foto: SWB/HL