„Die Würde des Schweins ist unantastbar“
… so besang einst der deutsche Liedermacher Reinhard Mey, was die Gesellschaft schon in den 1990ern umtrieb. Heute, mehr als 30 Jahre später, sind wir einen großen Schritt weiter. Nicht weit genug, zumindest wenn es nach der Genießergenossenschaft Sachsen eG aus Erlau geht, einem Dorf in der Nähe von Mittweida. Für die seit Mai 2020 zusammengeschlossenen 450 Privatleute und Unternehmen hat das Tierwohl oberste Priorität, und so errichteten sie 2023 den ersten tierwohlgerechten Schweinestall in Sachsen, in dem gesundes Omega-3-Schweinefleisch erzeugt wird. Wie dies funktioniert, und welche Hoffnungen sich damit verbinden, darüber haben wir mit Jan Gumpert, Vorstandsvorsitzender der Genießergenossenschaft Sachsen eG, gesprochen.
Herr Gumpert, wofür steht die Genießergenossenschaft?
Für Nachhaltigkeit, Tierwohl und Regionalität. Unseren Mitgliedern liegen diese Werte nicht nur am Herzen, sondern wir setzen sie aktiv um. Wir nehmen bewusst Geld und Verantwortung in die Hand, um hochwertiges und gesundes Schweinefleisch zu produzieren. Wir glauben fest daran, dass durch gegenseitige Wertschätzung eine nachhaltige Wertschöpfungskette entsteht, von der alle profitieren – von den Produzenten bis zu den Verbrauchern.
Was ist Ihr Alleinstellungsmerkmal?
Alles, was wir tun, ist auf das Wohlergehen der Tiere, der Umwelt und die Qualität des Fleisches ausgerichtet. Was unser Fleisch so besonders macht, ist seine Reichhaltigkeit an Omega-3-Fettsäuren. Die Ernährung unserer Tiere basiert auf Leinschrot und Getreide, beides aus lokalem Anbau. Dieses Futter erhöht den Omega-3-Fettgehalt im Fleisch. Zudem unterstützt die Verwendung von Leinschrot ein gesünderes Wachstum der Tiere.
Was genau macht die Genießergenossenschaft?
Die Genossenschaft zielt darauf ab, gemeinsam eine nachhaltige und regionale Omega-3-Schweinefleischproduktion zu realisieren. Mitglieder investieren 1.000 Euro/Anteil, um sich an diesem Vorhaben zu beteiligen, motiviert durch den Wunsch, qualitativ hochwertiges Fleisch zu konsumieren, das umweltbewusst und unter Berücksichtigung des Tierwohls erzeugt wird. Die Wahl der Genossenschaftsform ermöglicht es, Ressourcen, Verantwortung und Nutzen unter Gleichgesinnten zu teilen, wodurch eine enge Verbindung zwischen Produzenten und Verbrauchern entsteht und gemeinsame Werte wie Nachhaltigkeit und regionale Wertschöpfung gestärkt werden. Die Genossenschaftsform ist die demokratischste Unternehmensform unserer Zeit. Sehr gern sind weitere Mitglieder willkommen.
Wie passen Ihrer Meinung nach „Genuss" und „Tierwohl" zusammen?
An dieser Stelle möchte ich gern zwei unserer Mitglieder, Susanne und Bernd Hohlfeld, zitieren: „Sehr gut. Unsere Schweine leben in einem offenen Stall mit ausreichendem Platz und Beschäftigungsmöglichkeiten, wie frischem Stroh zum Spielen. Nachhaltigkeit wird großgeschrieben: Mist und Jauche werden als Dünger weiterverwendet. Die Tiere wachsen stressfrei auf und gehen zu Fuß zur nahegelegenen Schlachtstätte, was die Fleischqualität spürbar verbessert.“
Sie zeigen: Gesunde, nachhaltige Ernährung und Tierwohl können sehr wohl zusammengehen. Gibt es trotzdem Hindernisse, die Sie gern aus dem Weg räumen würden, und wenn ja, welche?
Wir sind weit gekommen, aber vor uns liegen auch noch viele Herausforderungen, insbesondere mit Blick auf die Wirtschaftlichkeit. Zum Beispiel sind die vorherrschenden Dumpingpreise im Einzelhandel eine große Barriere, da sie die Kaufentscheidungen der Verbraucher oft mehr beeinflussen als das Bewusstsein für nachhaltigen Konsum hochwertigen Fleisches. Mit diesem Fokus auf Billigprodukten untergräbt der Handel unsere Philosophie der fairen Preise für qualitativ hochwertige Produkte. Hinzu kommen bürokratische Hürden, die leider auch wir beim Bau unserer Anlage erleben mussten.
Die Genießergenossenschaft scheint ein Erfolgsmodell. Warum gibt es nicht mehr davon in Sachsen?
Wir sind froh darüber, als positives Beispiel in Sachsen voranzugehen, aber natürlich würden wir es ausdrücklich begrüßen, wenn es mehr Initiativen wie unsere gäbe. Um dies zu unterstützen, erstellen wir aktuell beispielsweise einen digitalen Zwilling unseres Stalls, um unsere Methoden und Ergebnisse nachvollziehbar und für alle zugänglich zu machen. Es erfordert Mut und Durchhaltevermögen, solche Projekte zu initiieren und zu führen. Gern sind wir bereit, unsere Erfahrungen zu teilen, um den Weg für weitere nachhaltige Projekte in Sachsen zu ebnen.
Lassen Sie uns abschließend noch ein wenig Appetit machen: Welches „Geschmackserlebnis“ erwartet den geneigten Fleischgenießer?
Die Duroc-Rasse, die wir züchten, ist robust und perfekt für die Außenklimahaltung geeignet. Und das schmeckt man. Das Fleisch mit hohem Omega-3-Anteil ist fein marmoriert und hat einen hervorragenden Geschmack - nicht nur beim Grillen. Das wird uns immer wieder bestätigt. Nicht nur von unseren Kunden, sondern auch von immer mehr Gastronomen. Die haben übrigens auch festgestellt, dass die üblichen Gewichtsgarverluste der Fleischstücke erheblich geringer ausfallen als bei konventionell produziertem Fleisch. Man bekommt also mehr auf den Teller als üblich – bei uns bleibt das Riesenschnitzel ein Riesenschnitzel (schmunzelt).