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Seien wir mal ehrlich: So gut wie jeder Radfahrer hat sich insgeheim schon mal einen zuschaltbaren Rückenwind gewünscht. Bei Gegenwind, steilen Anstiegen - ein kleiner Schub von hinten. Der Markt der E-Bikes in Deutschland wächst wie kaum ein anderer. Laut Statistischem Bundesamt ist die Zahl der E-Bikes in deutschen Privathaushalten 2021 um 1,2 Millionen auf 7,1 Millionen gestiegen. Damit besitzt - statistisch gesehen - etwa jeder achte deutsche Haushalt mindestens ein Elektrofahrrad. Sicher ist auch: Die aktuell explodierenden Benzinpreise werden dem Absatz von Elektrofahrrädern einen weiteren Schub verleihen.

binova flow®

binova - rethink edrive

Den Trend erkannt hat Steffen Söhner, Geschäftsführer der Dresdner Binova GmbH, bereits vor über zehn Jahren, allerdings hat er zunächst einen anderen Ansatz gewählt: Bestehendes umrüsten und dadurch aufwerten, das normale Fahrrad mit der Extra-Portion Schwung ausrüsten – mittels E-Motor. Mit dem binova flow®-Antrieb zählte binova damals, 2014, zu den Pionieren.

2018 wagte das Unternehmen dann den Sprung und gründete mit rethink® eine eigene E-Bike Marke, unter der seit März 2018 komplette Pedelecs vertrieben werden. Heute macht die Binova GmbH mit ihrem achtköpfigen Team vor allem als Manufaktur für die nach eigenen Angaben „nachhaltigsten Lastenräder“ von sich reden: alle Rahmen sind aus Holz gefertigt, es werden ausschließlich ökologische Werkstoffe verwendet. Das Credo Steffen Söhners: Jeder kann Teil der Mobilitätswende werden. Wir haben mit dem Geschäftsführer über seine „Mission“ gesprochen und bei dieser Gelegenheit erstaunliche Einblicke in eine kluge und irgendwie auch typisch sächsische Erfolgsgeschichte erhalten.

Herr Söhner, E-Bikes erleben zurzeit einen absoluten Boom. Sie verfolgten zunächst einen anderen Ansatz und sind mit Ihrem Team schon vor mehr als zehn Jahren angetreten, „normale Fahrräder“ mit einem robusten Motor umzurüsten. Das hat viel mit Nachhaltigkeiot zu tun - wie kam es dieser Idee der Entwicklung eines eigenen Antriebsystems?

Ich habe früher im Automobilzulieferbereich gearbeitet. Hier haben wir immer wieder neue Produkte und Technologien im Bereich Metallumspritzungen mit Kunststoff entwickelt. Eine dieser Entwicklungen war ein so genannter Scheibenläufermotor, der - in Kunststoff gehüllt - quasi unverwüstlich ist. Unter der Annahme, dass die aufkommenden Pedelecs nicht nur eine kurzfristige Modeerscheinung sein würden, haben wir uns dann auf den Einsatz des Motors in der Elektromobilität konzentriert und 2013 die Binova GmbH gegründet.

 

Foto: Binova

Wie war die Resonanz zu Beginn, wie ist die Nachfrage heute – auch vor dem Hintergrund, dass Sie ja immer auch mit der Alternative „konkurrieren“, sich einfach ein E-Bike zu kaufen?

2013 haben wir auf der größten Fahrradmesse Europas den Design Award für den Antrieb gewonnen. Unser binova flow®-Antrieb war damals konkurrenzlos. Er arbeitet im Unterschied zu anderen E-Motoren lautlos, verschleißarm, bietet trotz starker Unterstützung ein natürliches Fahrgefühl und kann quasi an fast jedem Fahrradrahmen montiert werden. Inzwischen haben wir als kleiner Hersteller aufgrund der erschwerten Lieferketten im Batterie- und Elektronikbereich die Nachrüstung zurückgefahren und setzen den Schwerpunkt auf unsere Radmarke rethink®.  

Foto: Binova

Mittlerweile haben Sie Ihr Sortiment auch um Lastenräder erweitert, bei denen Sie auf den Werkstoff Holz setzen. Wie wichtig ist Ihnen das Thema Nachhaltigkeit?

Das war mir immer schon eine Herzensangelegenheit. Als Fahrradhersteller haben wir alle Möglichkeiten, unsere Produkte selbst zu definieren und zu gestalten. Wie der Name „rethink“ schon sagt, ist bei dieser Marke Nachhaltigkeit Programm. Mit dem „Holzweg“ im Bereich Lastenräder haben wir einen enormen Schritt gewagt und ganz nebenbei im Bereich Serienräder eine Weltneuheit geschaffen.
 

Wo werden Ihre Cargo-Bikes produziert, auf welche Materialien setzen Sie?

Ich habe mir meinen Kindheitstraum von einer eigenen kleinen Tischlerei verwirklicht. Die Rahmen fräsen wir hier aus Multiplexplatten, aus nachhaltiger Waldwirtschaft. Die Ölung bekommen diese auch bei uns im Haus. Die lackierten Varianten entstehen bei einem Partner in Dresden.

Die zurückliegenden beiden Pandemiejahre haben der Fahrradbranche einen großen Aufschwung beschert. Konnte auch Binova davon profitieren?

Grundsätzlich ja. Allerdings hatten wir seit dem ersten Lockdown Lieferzeiten von bis zu 18 Monaten. Hinzu kam: Als kleiner Hersteller ohne „Marktmacht“ hat sich unsere Rahmenlieferung Anfang 2021 um neun Monate verschoben. Dadurch waren wir quasi gezwungen, uns zu 100 Prozent auf die Entwicklung unseres Holzprojektes – den Holzrahmen - zu konzentrieren, um 2022 lieferfähig zu sein. Das ist uns auch geglückt.

In welche Länder verkaufen Sie Ihre Produkte?

Zurzeit noch ausschließlich in Deutschland, aber wir werden in den nächsten Wochen auch Dänemark, die Niederlande, Frankreich, die Schweiz und Österreich beackern.

In der Produktion arbeiten Sie auch eng mit regionalen Jugendwerkstätten und Werkstätten für Menschen mit Behinderung zusammen. Warum? Welchen Vorteil bieten diese Kooperationen? 

Uns war immer wichtig, eigenen Nachwuchs auszubilden und ihm die Chance zu geben, mit den Aufgaben zu wachsen. Wenn aus einstigen Auszubildenden super Spezialisten werden, ist dies zu verfolgen eine tolle Erfahrung. Auch in der Radbranche gibt es zu wenige gelernte Fachleute. Natürlich spielen aber auch die Kosten eine Rolle. Um marktfähige Preise für unser Zubehör in Handarbeitsstückzahlen zu gewährleisten, ist die Kooperation mit sozialen Werkstätten die einzige Möglichkeit. Über die Jugendwerkstätten versuchen wir, Kräfte für die Umschulung mit IHK-Abschluss zu rekrutieren. So bieten wir einerseits eine erfüllende Arbeit, an der auch Menschen mit Behinderung ihre Freude haben, und schaffen es zugleich, mittelfristig unseren eigenen Personalbedarf zu decken.

Foto: Binova

Auf der diesjährigen Eurobike stellen Sie im Juli eine Weltneuheit vor: nachhaltige Cargo-Holzräder. Was genau ist daran so einzigartig?

Mountainbikes und Cityräder aus Holz gibt es seit 2015. Es gab auch in der Vergangenheit schon das eine oder andere Lastenrad-Einzelstück aus Holz. Aber aus Holz gefertigte Lastenräder in Serie, das ist die Weltneuheit. Unsere beiden Modelle, mit denen wir an den Start gehen, wurden erfolgreich auf die für vergleichbare Stahl- oder Aluminumalternativen 180 kg und 215 kg Gesamtgewicht getestet. Und kein Serienhersteller hat bisher in Holzrädern so wenig Metall verbaut wie wir. Damit ist die Produktion unschlagbar nachhaltig, denn der Energieverbrauch bei der Fertigung mit Metall ist um ein Vielfaches höher als beim Werkstoff Holz.

Zum Schluss die Frage: Was treibt Sie persönlich an? Wie lautet Ihre Firmenphilosophie?

Mit unterschiedlichsten Menschen etwas Sinnvolles gemeinsam schaffen. Ein Teil der Mobilitätswende zu sein. Und dabei unsere Mission nicht aus den Augen zu verlieren, klimaneutrale Verkehrsmittel für 99 Prozent aller regionalen Alltags- und Freizeitsituationen zu bieten.

Binova

Das normale Fahrrad mit der Extra-Portion Schwung ausrüsten – mittels E-Motor.

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